Die Alpendohle zeigt Menschen gegenüber kaum Scheu. Daher ist sie häufig in der Nähe von Almhütten oder Berggipfeln anzutreffen, wo sie geschickt ein paar Futterstücke stibitzt. Als Mitglied der Rabenvögel ist sie ausgesprochen anpassungsfähig und bewohnt im Winter auch Städte und Dörfer, wo sie ihr Nahrungsspektrum vor allem mit menschlichen Essensresten ergänzt. Anders als andere Tierarten scheinen Alpendohlen von der steigenden Freizeitnutzung in alpinem Lebensraum zu profitieren. Trotz ihrer Bekanntheit ist jedoch nach wie vor wenig darüber bekannt, wie sie ihre Lebensräume und Nahrungsquellen in alpinen Gebieten saisonal nutzen.
Um diese Wissenslücke zu schließen, wurde eine Kooperation zwischen dem Senckenberg Institut für Biodiversität und Klimaforschung, dem Institut für Wildtierkunde und Ökologie der VetMed Uni Wien sowie dem Nationalpark Hohe Tauern ins Leben gerufen. Unter der Leitung von Dr. Kristina Beck untersucht das Projekt das Raumnutzungsverhalten der Alpendohlen sowie den Einfluss menschlicher Aktivitäten.
Dabei stehen drei zentrale Fragen im Fokus:
1) Wie groß sind die Streifgebiete der Alpendohlen und welche Zonen nutzen sie am meisten?
2) In welchem Ausmaß greifen Alpendohlen auf menschliche Nahrungsquellen zurück, und wie häufig halten sie sich in der Nähe des Menschen auf?
3) Welchen Einfluss haben Wetterbedingungen und Nahrungsverfügbarkeit im alpinen Lebensraum auf ihre Bewegungen?

Seit Mai 2025 wurden auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe insgesamt 41 Alpendohlen mit GPS-Sendern und Farbringen markiert. c Ronja König
Zur Beantwortung dieser Fragen wurden seit Mai 2025 auf der Kaiser-Franz-Josef-Höhe bereits 41 Alpendohlen gefangen sowie mit GPS-Sendern und Farbringen ausgestattet. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich die besenderten Vögel überwiegend im Gebiet rund um die Franz-Josefs-Höhe aufhalten, mit Ausflügen zur Erzherzog-Johann-Hütte oder zur Oberwalderhütte. Besonders häufig wurden Alpendohlen zudem im Bereich des Leiterkopfs beobachtet, vermutlich weil die dortigen Wiesen reichlich natürliche Nahrung wie Insekten bieten. Auffällig sind auch deutliche individuelle Unterschiede: Während sich manche Vögel stark auf menschliche Nahrung spezialisieren, suchen andere überwiegend in natürlichen Habitaten nach Futter. Obwohl sich die Alpendohlen insgesamt vor allem lokal um die Franz-Josefs-Höhe aufhalten, zeigen die GPS-Daten, dass auch weitere Ausflüge möglich sind. Die ersten Ergebnisse sind bereits äußerst vielversprechend. Mit dem ersten Wintereinbruch wird sich zeigen, welche Vögel in die Tallagen abwandern und ob sie dennoch täglich zu ihren angestammten Schlafplätzen in den Hochlagen zurückkehren.