Nationalpark Hohe Tauern

Resümee beim 7. internationalen Umweltforum in Heiligenblut:
Eindringlicher Appell an Politik zum dringend notwendigen Handeln bei Wasser, Klimaschutz und Anpassung


Das diesjährige 7. Forum Anthropozän vom 13. bis 15. Juni 2024 im Haus der Steinböcke im Nationalpark Hohe Tauern in Heiligenblut stand unter dem Leitthema „WASSER“. „Quelle des Lebens in der Klimakrise“. Wissenschaftler:innen, Vertreter:innen der Wirtschaft und Praktiker:innen waren sich einig: Wasser durchdringt all unsere Lebensbereiche und muss aufgrund der bereits spürbaren Auswirkungen der Klimakrise zur obersten Priorität werden. Klimaschutzmaßnahmen, Intensivierung von Kreislaufwirtschaft und Klimawandelanpassung müssen dringend forciert werden.


Wasser durchdringt unser ganzes Leben und ist notwendige Ressource für gesunde Ökosysteme und für unser Überleben. So hat 2010 die UNO das Recht auf Wasser als Menschenrecht anerkannt. Gleichzeitig ist Wasser Energielieferant und leistet vor allem im wasserreichen Kärnten einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz. Wasser ist aber auch Lebenselixier, Spaß und touristisches Angebot.

Steigende Nachfrage sowie die Auswirkungen des Klimawandels machen die Verfügbarkeit von Wasser jedoch zu einer immer größeren Herausforderung. So werden auf globaler Ebene versiegende oder sich verlagernde Wasserressourcen zu Auslösern für Konflikte und Vertreibung und Extremwetterlagen lassen Wasser zu einer Bedrohung werden.

In ihrem Einleitungsvortrag machte Antje Boetius, die bekannte Meeresbiologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven, deutlich, dass wir über die Lebensquelle „Wasser“ einerseits ein erhöhtes Bedrohungspotenzial haben, als auch in der nachhaltigen Nutzung von Wasser Hoffnung für neue zivilisatorische Entwicklungen liegen. Sie sprach über die Relevanz der lokalen Lösungen für Wasserverfügbarkeit – ob als Grundbedürfnis Trinkwasser, für Klimaanpassung, als Abwasser, für Energie, Transport, Ernährung oder Biodiversität. Sie zeigte auf, wie wichtig Wasser für unsere nachhaltige Zukunft ist und wie essentiell es ist, langfristige Pläne für einen fairen Zugang zu haben. Bei ausreichender Transparenz seien auch dabei auftretende Zielkonflikte lösbar. Nach Boetius „gibt es mit dem europäischen Green Deal viele Möglichkeiten, Wasser im Wert zusetzen in  all den Bereichen unseres Lebens.“ Wichtig ist, dass wir die zentrale Rolle von Wasser berücksichtigen. "

Experten wie Hans-Jörg Hufnagl, stellvertretender Gebietsbauleiter der Wildbachverbauung Kärnten und Gerhard Hohenwarter, Meteorologe der GeoSphere Austria, zeigten auf, dass auch in Österreich die Auswirkungen des Klimawandels schon deutlich spürbar sind und sich noch verstärken werden. Sollten wir unsere Aktivitäten zum Klimaschutz nicht forcieren. So kommt es immer häufiger zu temporären Trockenperioden und Wasserknappheit oder zu Starkregenereignissen. Allen voran: Die intensive Nutzung des Naturraums erhöht die Vulnerabilität (Schadensempfindlichkeit) gegenüber Naturereignissen. Die gleichzeitige Zunahme von Niederschlägen aufgrund des Klimawandels führt dabei zu extremen Hochwässern und bisher unbekannten Hangrutschungen, wie wir in den vergangenen Wochen miterleben mussten. Den stetig steigenden Sicherheitsanforderungen wird man lt. Hans-Peter Hufnagl in Zukunft aber nur mehr bedingt gerecht werden können. Das erfordert ein dringendes Umdenken in der Nutzung des Naturraumes und ein neues Risikobewusstsein im Umgang mit Naturgefahren.

Umweltmediziner Hans-Peter Hutter zeigte beim Forum die Bedeutung der Renaturierung unserer Ökosysteme auf: „Ja, wir können uns als Menschen an die Folgen des Klimawandels anpassen, aber unsere Anpassungsfähigkeit hat auch Grenzen. Wir brauchen vor allem „Intakte Ökosysteme als Basis unserer Gesundheit. Wer verantwortungslos – wider aller wissenschaftlicher Erkenntnisse – die Renaturierung der Natur verhindert, hat die Gesundheit unserer Kinder am Gewissen“, so der Umweltmediziner.

Für den Wissenschaftsjounalisten und Buchautor Fritz Habekuss hat das diesjährige Forum Anthropozän klar gezeigt, „wie das Zeitalter des Menschen uns alle angeht, jenseits politischer und weltanschaulicher Unterschiede.“ Besonders wertvoll war es dort, wo es deutlich gemacht hat, wie globale Entwicklungen und internationale Verträge konkrete Folgen vor Ort haben. Beim Austausch Kärntner und slowenischer Regierungsvertreter etwa, wo schon heute Zusammenarbeit beim Katastrophenschutz Menschenleben rettet. Das Beispiel hat gezeigt: Es gibt längst Lösungen, die gelebt werden. „Das macht Mut.“

„Der Nationalpark Hohe Tauern ist ein lebendiges Zeugnis für die Bedeutung intakter Ökosysteme. Hier, wo Wasser eine zentrale Rolle spielt, zeigt sich eindrucksvoll, wie Natur und Mensch in Einklang leben können. Der Schutz und die nachhaltige Nutzung unserer Wasserressourcen sind nicht nur essenziell für die Artenvielfalt, sondern auch für unsere eigene Zukunft“, betont Nationalparkdirektorin Barbara Pucker.

Die Botschafter Usbekistans, Tadschikistans und Aserbaidschans sowie ein Vertreter Sloweniens zeigten beim Forum auf, dass die internationale Zusammenarbeit im Hinblick auf Wasser forciert werden muss, um die Klimakrise und daraus entstehende Interessenskonflikte gemeinsam bewältigen zu können, denn es befinden sich beispielsweise unzählige Flüsse und Gewässer in zwei oder mehreren Ländern. Dabei spielen nicht nur Wissen, sondern vor allem Vertrauen eine zentrale Rolle. Überdies sei Zentralasien eine besonders vom Klimawandel betroffene Region. Das Schmelzen der Gletscher mit den Auswirkungen auf das Trinkwasser sowie das Austrocknen des Aralsees waren Themen. Im gerade durchgeführten „Dushanbe Water Process“ und der im November in Baku stattfindenden COP29, an der auch Vertreter:innen Österreichs teilnehmen, steht Wasser im Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit. In der Bewältigung der Klimakrise und ihrer Auswirkungen sind internationale Organisationen wie die OSZE, die größte Sicherheitsorganisation, bestehend aus 57 Ländern, aber auch Netzwerke wie YWP (Young Water Professionals) wichtige Partner.

Mit dem gemeinsamen Projekt „KLIMA CANTUS“ mit der Künstlerin Angela Andorrer und den Red Rebels startet heuer auch erstmals die Kooperation vom FORUM ANTHROPOZÄN mit der KLIMA BIENNALE WIEN, in welcher in den Bereichen Wissenschaft und Kunst in den kommenden Jahren gemeinsame Formate, Inhalte und künstlerische Interventionen entwickelt werden, die anregen sollen – auch im Zusammenwirken von urbanen und ländlichen Räumen – Antworten auf die brennenden Fragen unserer Zeit zu finden.

Zum Abschluss des 7. Forums ANTHROPOZÄN richtete die Diskussionsrunde „Kunst & Klima“ den Blick auf eine klimapostive Zukunft: Sie stellte sich der Frage „Wie wird sich eine klimapositive Zukunft anfühlen?“ Inspiriert vom utopischen Text der österreichischen Autorin Andrea Grill „Die DNA der Würde“ sprach UNESCO-Chairholder Carmen Sippl (PH NÖ) mit Botschafter Christoph Thun-Hohenstein, Sektionsleiter für Internationale Kulturangelegenheiten im Außenministerium, und Claudius Schulze, Künstlerischer Leiter der KlimaBiennale Wien, über die aktivierenden Möglichkeiten der Kunst für Klimaresonanz. Die Fotografin Regina Hügli („One Body of Water“) und die Schriftstellerin Andrea Grill („Perfekte Menschen“) erläuterten am Thema Wasser eindrucksvoll ihre Projekte an der Schnittstelle von Kunst und Anthropozänwissenschaften. Ihre Bilder und Texte vermochten zum Ausklang des 7. Forums Anthropozän das Publikum spüren zu lassen, wie sich eine klimapositive Zukunft anfühlen könnte.

Für die jüngsten Teilnehmer:innen bot das Forum durchgehend ein spannendes Kinder- und Jugendprogramm, gestaltet von den Ranger:innen des Nationalparks Hohe Tauern.

Die Veranstaltung wurde organisiert und durchgeführt von der Initiative ProMÖLLTAL, ARGE Alpine Nature Campus, dem Nationalpark Hohe Tauern Kärnten, der Gemeinde Heiligenblut, dem Anthropocene Network Vienna/Universität Wien, der Paris-Lodron-Universität Salzburg, der Landschaft des Wissens | Wissenschaftsverein Kärnten, dem Klimabündnis Kärnten und dem 1. Europäischen Klima- und Umweltbildungszentrum (EKUZ) in Mallnitz.


Geschrieben von
Elfriede Oberdorfer-Wuggenig

17.06.2024