Nationalpark Hohe Tauern

Newsletter Greifvögel Juli 2023


INHALTSVERZEICHNIS

Bartgeier Brutsituation: 
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Bartgeier-Vortrag im Naturpark Ötztaler Alpen
Auswilderung im Nationalpark Berchtesgaden
Bavaria und Recka imTennengebirge
Riglos in Tirol

Gänsegeier „Hänsel“ in Bayern gestrandet
Überblick Gänsegeier in den Hohen Tauern

Mönchsgeier im Lesachtal
Mönchsgeier in den Hohen Tauern

Artenschutztag im Alpenzoo Innsbruck

Neue Sonderausstellung im Matreier Nationalparkhaus

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Bart- und Gänsegeier online

 

Bartgeier

Brutsituation Alpen

Laut der aktuellen Zahlen des Internationalen Bartgeier Monitorings wurden im Alpenraum bisher 57 Jungvögel im Rahmen der Brutsaison 2022(2023 gemeldet (Stand 06/2023). Dabei entfallen mit 26 Jungvögeln die meisten Individuen auf die Schweiz. Aus Frankreich wurden 20 Jungvögel gemeldet. In Österreich konnten durch das Horstmonitoring 8 Jungvögel festgestellt werden. Für Italien und Südtirol wurden nach aktuellem Kenntnisstand lediglich 3 Jungvögel gemeldet. Die tatsächliche Anzahl produzierter Jungvögeln dürfte in Italien und Südtirol jedoch sehr viel höher sein, sodass sich die Dunkelziffer der Jungvögel im Alpenraum höchstwahrscheinlich auf über 60 Individuen beläuft.

 

 

Brutsituation in Österreich

Während der Brutsaison haben in Österreich 2023 zwischen Anfang Januar und Mitte Februar alle bekannten Bartgeier-Paare mit der Brut begonnen, was für Österreich einen neuen Rekord darstellt. Nachdem 2022 sieben Paare gebrütet hatten, waren im Frühjahr 2023 insgesamt neun Bartgeier-Paare zur Brut geschritten. Die Verteilung der Brutpaare gliedert sich in den österreichischen Alpen in zwei Bereiche. Während 6 der 9 Paare in den Hohen Tauern leben, besiedeln die restlichen 3 Paare das Ötztal, Pitztal und Lechtal im Westen Österreichs.
Die gestiegene Anzahl der Brutvorgänge lässt sich v.a. mit jenen Paaren erklären, welche nun auch das brutfähige Alter erreicht haben. Zusätzlich trug auch die Bildung eines neuen Paares im Pitztal zur gestiegenen Anzahl bei.
Die Horstkontrollen ergaben, dass im Frühjahr 2023 acht Brutpaare in Österreich für Nachwuchs gesorgt haben. Somit wurde in der Brutsaison 2023 die Anzahl der Jungvögel im Vergleich zur Brutsaison 2022 (4 Jungvögel) verdoppelt.
Einen derartigen Bruterfolg der Bartgeier-Paare hatte es in Österreich bisher noch nie gegeben!

 

 

 

Brutsituation im Nationalpark Hohe Tauern

Im Rahmen des jährlich durchgeführten Horstmonitoring wurde festgestellt, dass in den Hohen Tauern zwischen Anfang Januar und Mitte Februar alle sechs Bartgeierpaare zur Brut geschritten waren – eine Situation, welche seit Beginn der Wiederansiedlung in den Hohen Tauern (1986) bisher noch nie eingetreten war.
Neben dem routinierten Paar am Katschberg haben auch die Bartgeier-Paare in Prägraten, Heiligenblut, Mallnitz und im Gschlößtal erstmals für Nachwuchs gesorgt. Wie bereits erwähnt, lässt sich die hohe Anzahl an Brutvorgängen u.a. mit dem Erreichen des brutfähigen Alters der jüngsten Bartgeier erklären. Im Rahmen des Horstmonitorings musste leider festgestellt werden, dass der Jungvogel des Krumltaler Paares vermutlich bereits nach wenigen Wochen verendet war.

 

Paar Prägraten

Anfang März konnte im Rahmen des Horstmonitorings erstmals ein Jungvogel des Prägratener Paares vermeldet werden. Nach über 100 Jahren gab es somit den ersten Nachwuchs eines Bartgeier-Paares in Osttirol. Zwar wurden im Rahmen des Monitorings seit 2018 fast jährlich Brutversuche beobachtet, welche jedoch stets abgebrochen wurden.
Nachdem sich das 2021 gebildete „Prägratener Trio“ höchstwahrscheinlich 2022 aufgelöst hat, besteht nun die Frage, aus welchen Bartgeiern sich das aktuelle Paar zusammensetzt. Während es sich bei dem Bartgeiermännchen wahrscheinlich um Lea (Dorfertal; 2015) handelt, kann zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht gesagt werden, um welches Bartgeier-Weibchen es sich handelt. Es wird jedoch vermutet, dass es sich entweder um El Dorado (Matrei i. O.; 2001) oder Joker (Mallnitz; 2003) handelt. Diese Fragen gilt es nun durch das Sammeln sowie die Analyse genetischen Materials zu beantworten.
Anfang Juli verließ der Jungvogel, welcher den Namen "Prägraten2023“ erhielt, den elterlichen Horst und startete zu seinem ersten Ausflug.

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      Jungvogel „Prägraten2023“ im Horst; Foto: Bergmann

 

 

Paar Krumltal

Im Krumltal – dem Tal der Geier waren Bartgeier-Weibchen Alexa (Rauris; 1988) und Männchen Andreas Hofer (Rauris; 1996) in der ersten Januarhälfte 2023 zur Brut geschritten. Horstkontrollen ergaben, dass die Altvögel Anfang März dabei beobachtet wurden, wie sie ihren inzwischen 9. Jungvogel fütterten. Bartgeier-Weibchen Alexa gilt mit über 35 Jahren als ältester Brutvogel der Alpen und kann somit als „Grande Dame der Bartgeier“ angesehen werden. Aufgrund der für eine Beobachtung ungünstigen Lage des aktuell besiedelten Horstes konnten für einen langen Zeitraumen keine Aussagen über den Zustand des Jungvogels getätigt werden. Im Rahmen der Anfang Juli begonnenen Dauerbeobachtung wurde der Horst im Krumltal über mehrere Wochen von einer Projektpraktikantin mittels Spektiv kontrolliert. Dabei sollten mögliche Bewegungen im und am Horst dokumentiert werden.

Unregelmäßige Horstanflüge durch die Altvögel sowie fehlende Sichtungen des Jungvogels erweckten die Vermutung, dass der Jungvogel verendet sein könnte. Ende Juli bestätigte Bartgeier-Experte Michael Knollseisen, dass sich kein Jungvogel im Horst befand, sodass die traurige Gewissheit bestand, dass „Kruml9“ verendet war. Über die Todesursache können zum aktuellen Zeitpunkt noch keine Aussagen getroffen werden.

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       Alexa und Andreas Hofer in Horstnähe; Foto: Leitner

 

 

Paar Katschberg

Auch 2023 hat das Katschberger Paar, bestehend aus Romaris (Kals; 2007) und Hubertus2 (Kals; 2004) einen Jungvogel produziert. Während Mitte Januar der Brutbeginn festgestellt wurde, konnte Anfang März im Rahmen einer Horstkontrolle der inzwischen 10. Jungvogel des Paares bestätigt werden. Seit der 2014 hat das Paar in jedem Jahr einen Jungvogel produziert, womit es das erfolgreichste Bartgeier-Paar Österreichs ist. Bevor es 2013 zum Partnerwechsel kam, bildete sich das Paar am Katschberg aus Hubertus2 und Ambo.
Neben seinem großen Bruterfolg bildet das Katschberger Paar aktuell auch das östlichste Bartgeier-Paar der Alpen.
Mitte Juli konnte der Ausflug des inzwischen 10. Jungvogels am Katschberg beobachtet werden.

 

Paar Heiligenblut

Nachdem das Heiligenbluter Bartgeier-Paar 2022 nicht zur Brut geschritten war, konnte im Rahmen der Horstkontrollen ermittelt werden, dass Weibchen Ambo (Gastein; 2002) und Männchen Fortuna (Dorfertal; 2015) Mitte Januar 2023 zur Brut geschritten waren. Wie auch in Prägraten und in Rauris konnte Anfang März in Heiligenblut der Jungvogel im Rahmen des Schlupfkontrollen bestätigt werden. Während es für das aktuelle Heiligenbluter Paar der erste gemeinsame Jungvogel ist, hat Bartgeier Ambo bereits 2012 zusammen mit Hubertus2 am Katschberg für Nachwuchs gesorgt, bevor sie vom Bartgeier-Weibchen Romaris verdrängt wurde. Erst vor wenigen Jahren ergaben genetische Analysen, dass Ambo das Weibchen des Heiligenbluter Paares bildet. Zuvor galt sie für viele Jahre als verschollen.
Am Morgen des 08. Juli 2023 wurde der erste Ausflug des Jungvogels beobachtet.

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     Jungfernflug des Heiligenbluter Jungvogels; Foto: Petrikat

 

 

Paar Mallnitz

Im Spätsommer 2020 waren Charlie (Untersulzbachtal; 2016) und Felix2 (Debantal; 2014) aus dem Gasteinertal ins südlich angrenzende Gebiet von Mallnitz gewechselt.
Zwar wurden im Winter 2020/2021 Horstbauaktivitäten beobachtet, jedoch konnte Anfang 2021 kein Brutversuch festgestellt werden. Im Frühjahr 2022 war das Paar erstmals zur Brut geschritten, brach diese jedoch Mitte April ab, was mit dem jugendlichen Alter von Charlie erklärt werden konnte.
Neben den Bartgeier-Paaren in Prägraten und Heiligenblut hat auch das Mallnitzer Paar, bestehend aus Charlie und Felix2 im Frühjahr 2023 erstmals einen Jungvogel produziert. Nachdem Mitte Februar im Rahmen des Horst-Monitorings die Eiablage festgestellt wurde, konnte Anfang April der erste Jungvogel des Paares bestätigt werden. Aufgrund des späten Brutbeginns schlüpfte der Mallnitzer Jungvogel einige Wochen später als die restlichen Jungvögel in den Hohen Tauern. 
Zusammen mit den Jungvögeln vom Katschberg und aus Heiligenblut sind im kärntnerischen Teil der Hohen Tauern insgesamt 3 der 6 Jungvögel produziert worden.

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      Altvogel mit Jungvogel (links) im Horst; Foto: Krisch

 

 

 Paar Gschlöß

In der Brutsaison 2023 sorgte das Bartgeier-Paar im Gschlößtal (Matrei in Osttirol) für die größte Überraschung. Nachdem im Rahmen des Horstmonitorings in der ersten Märzhälfte keine Anzeichen für einen geschlüpften Jungvogel vorlagen, stellte sich Mitte Mai zur Überraschung aller Projekt-Beteiligten heraus, dass das Paar, bestehend aus Glocknerlady (Heiligenblut; 2012) und Pinzgarus (Rauris; 2008) tatsächlich erstmals für Nachwuchs gesorgt hatte.
Während bei Bartgeiern das zweite Ei in der Regel 5 bis 7 Tage nach dem ersten Ei gelegt wird, vermuten die Wissenschaftler, dass das zweite Ei im Gschlößtal sehr viel später gelegt wurde. Laut Berichten aus der Bartgeierzucht, kann der Zeitraum zwischen beiden Eiablagen bis zu 14 Tage betragen.
Dies würde erklären, aus welchem Grund zum errechneten Schlupfzeitraum im Rahmen der Horstkontrollen kein Jungvogel nachgewiesen werden konnte. In Bezug auf Größe und Gefiederfärbung konnte ermittelt werden, dass der Gschlößtaler Jungvogel in der zweiten Märzhälfte geschlüpft war. 
Somit erblickten während der Brutsaison 2023 im Osttiroler Nationalparkanteil zwei Bartgeier das Licht der Welt.
Mitte Juli meldete ein Osttiroler Nationalpark-Ranger, den ersten Ausflug des Gschlößtaler Jungvogels.

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     Altvogel mit Jungvogel (rechts) im Horst; Foto: Lehnert

 

 

Brutsaison im Westen Österreichs

Paar Ötztal

Durch die Analyse genetischen Materials stand im November 2022 fest, dass sich das Ötztaler-Paar aktuell aus dem Weibchen Humboldt-Albula (2011; Schweiz) und dem Männchen Paolino-Zebru (2016; Italien) zusammensetzt. Beide Vögel sind Naturbruten, sodass das Ötztaler Paar nachweislich das erste Bartgeier-Paar in Österreich darstellt, welches sich aus wildgeschlüpften Bartgeiern zusammensetzt.
Diese Konstellation kann auf die Entwicklungen der Bartgeiervorkommen in Südtirol/Italien bzw. in der Schweiz zurückgeführt werden. Aufgrund wachsender Populationen, wandern junge Bartgeier ab und besiedeln neue Bereiche, in welchen sich mit der Zeit Paare bilden. Die Besiedlung des Ötztals und benachbarter Täler durch die Bartgeier erfolgt meist aus Westen (Schweiz) und Südosten (Parco nazionale dello Stelvio / Stilfserjoch Nationalpark).
Horstkontrollen ergaben, dass das Paar im Ötztal Mitte Januar mit der Brut begonnen hatte. In weiterer Folge konnte in der ersten Märzhälfte der inzwischen dritte Jungvogel im Ötztal bestätigt werden. Aufgrund des jugendlichen Alters von Paolino-Zebru ist es jedoch wahrscheinlich, dass es in jüngerer Vergangenheit einen Partnerwechsel bei diesem Paar gegeben hat, sodass das aktuelle Bartgeier-Männchen höchstwahrscheinlich nicht für die Bruterfolge in den Jahren 2021 und 2022 in Frage kommt.
Am Vormittag des 09. Juli verließ der Jungvogel den elterlichen Horst und startete zu seinem Erstflug.

 

Paar Pitztal

Ende Januar dokumentierten Alpinisten Horstbauaktivitäten eines Bartgeiers im Pitztal.
Die im Anschluss von einem Greifvogelexperten durchgeführte Horstkontrolle ergab, dass sich im beschriebenen Bereich ein Bartgeier-Paar angesiedelt hatte. Nur wenige Wochen später konnte der Brutbeginn beim neu entdeckten „Pitztaler-Paar“ festgestellt werden.
Zur großen Freude stellte sich Mitte April heraus, dass es im Pitztal erstmals Nachwuchs bei den Bartgeiern gegeben hatte.
Noch ist unklar, aus welchen Bartgeiern sich das Pitztaler Paar zusammensetzt. Das Sammeln und die Analyse genetischer Proben soll Aufschluss über die Identität der adulten Bartgeier liefern. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass einer der beiden adulten Vögel ausgewildert wurde, da auf einem Foto ein GPS-Sender zu erkennen ist, welcher jedoch nicht mehr funktionsfähig ist. Aufgrund der Form des Senders, besteht die Vermutung, dass es sich um das 2016 im Untersulzbachtal (Nationalpark Hohe Tauern) ausgewilderte Bartgeier-Männchen Lucky handelt. Der zweite Bartgeier, welcher einen baugleichen Sender besitzt, ist das zum Mallnitz Paar gehörende Bartgeier-Weibchen Charlie.

 

 

Paar Lechtal

In Nordtirol haben neben den Paaren im Ötztal und im Pitztal hat 2023 auch das Lechtaler Bartgeier Paar, bestehend aus Madagaskar (Calfeisental; 2011) und Natura (Haute-Savoie; 2001) einen Jungvogel produziert.
Horstkontrollen ergaben, dass das Paar in der ersten Januarhälfte zur Brut geschritten ist.
Mitte März konnte im Rahmen der Kontrollen der inzwischen vierte Jungvogel des aktuellen Bartgeier-Paares im Lechtal bestätigt werden.

 

Bartgeier-Vortrag im Naturpark Ötztaler Alpen

Anfang April war der Nationalpark Hohe Tauern zu Gast im Naturpark Ötztal für einen Vortrag über die „Rückkehr des sanften Riesen“. Zahlreiche Interessierte fanden sich im Naturparkhaus in Längenfeld zusammen, um interessante Fakten zur Biologie, Geschichte und aktuellen Situation des Bartgeiers in den Österreichischen Alpen zu erfahren.
Für das Greifvogel-Monitoring bildet das Ötztal sowie die umliegenden Täler einen überaus wichtigen Beobachtungsraum, da aus diesem Gebiet ein Großteil der Bartgeier-Sichtungen stammen. Aus diesem Grund ist es wichtig, die lokale Bevölkerung aber auch Gäste für das Thema „Bartgeier“ zu sensibilisieren und darauf hinzuweisen, sämtliche Sichtungen zu melden.

 

Auswilderung im Nationalpark Berchtesgaden

Auch in diesem Jahr wurden im Nationalpark Berchtesgaden erneut Bartgeier in die Freiheit entlassen. Nachdem die 2021 und 2022 ausgewilderten Bartgeier in einer spanischen Zuchtstation geschlüpft waren, stammen die Ende Mai 2023 freigelassenen Bartgeier aus Österreich. Bevor die Jungvögel in ihren Transportboxen den Weg zur Auswilderungsnische antraten, wurden ihre Namen unter großem Interesse der Öffentlichkeit bekanntgegeben. Während das im Alpenzoo Innsbruck geschlüpfte Weibchen auf den Namen „Sisi“ getauft wurde, entschied eine Umfrage des Bayrischen Rundfunks, dass das Bartgeier-Männchen aus der Richard-Faust-Zuchtstation Haringsee den Namen „Nepomuk“ erhält.
Nachdem eines der Bartgeier-Paare in Haringsee zwei Jungvögel produziert hatte, wurde Nepomuk in den Wochen vor der Auswilderung vom Bartgeier-Ammenpaar im Nürnberger Zoo aufgezogen, da diese selbst nicht erfolgreich gebrütet hatten. Bis zum Jungfernflug wurden die Tiere gefüttert und überwacht. Während Sisi am 20.06.2023 ihren Jungfernflug meisterte, absolvierte Nepomuk nur einen Tag später seinen Erstflug.

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     Bartgeier Sisi und Nepomuk vor ihrer Freilassung im Nationalpark Berchtesgaden; Foto: Weyrich

 

 

Bavaria und Recka im Tennengebirge

Bereits seit Monaten gehen immer wieder Bartgeier-Meldungen aus dem Bereich des Tennengebirges ein. Viele dieser Meldungen stammen von Gleitschirmfliegern, welche davon berichten, dass ihnen auf ihren Flügen zwischen Tennengebirge und Hochthron neugierige „tierische Begleiter“ folgten. Einigen Meldern gelangen sogar Foto- und Videoaufnahmen der beiden Bartgeier.
Sowohl die auf den Fotos erkennbaren Federmarkierungen als auch die Daten der GPS-Sender zeigten, dass es sich bei den beiden Bartgeiern um das 2021 im Nationalpark Berchtesgaden ausgewilderte Bartgeier-Weibchen Bavaria und das 2022 ebenfalls im Nationalpark Berchtesgaden freigelassene Bartgeier-Weibchen Recka handelte.
Trotz der Freude Bavaria und Recka wohlauf zu sehen, stellt sich die Frage, warum die Bartgeier bereits seit Monaten im südlichen und westlichen Tennengebirge unterwegs sind. Ein derart kleiner Bewegungsradius ist für junge Bartgeier ungewöhnlich, sodass ein Einfluss (z.B. durch anfüttern) nicht ausgeschlossen werden kann.

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      Bavaria und Recka; Foto: Reinegger

 

 

Bartgeier Riglos in Tirol

Anfang Juni startete das 2022 in Südfrankreich ausgewilderte Bartgeier-Männchen Riglos ausgehend vom Dreiländereck zwischen der Schweiz, Liechtenstein und Österreich einen Erkundungsflug in Richtung Osten. Laut der GPS-Daten durchquerte der besenderte Riglos das nördliche Vorarlberg sowie die daran angrenzenden Lechtaler Alpen. Dem Inn stromabwärts folgend flog Riglos bis in den Bereich Schwaz, wo er einen südwestlichen Kurs einschlug und die Tuxer Alpen, die Stubaier Alpen sowie die Ötztaler Alpen überflog und nach einem kurzen Aufenthalt in Südtirol wieder in die Schweiz zurückkehrte.

 

Gänsegeier

 

Gänsegeier „Hänsel“ in Bayern gestrandet

Zum Jahresende 2022 wurde im Bereich Bad Reichenhall (Bayern) ein einzelner Gänsegeier gemeldet. Nachdem der Zoo Salzburg die Anfrage dementiert hatte, dass es sich um eines seiner Tiere handelte, stellte sich die Frage, woher der Gänsegeier stammte und warum dieser in den bayrischen Alpen „gestrandet“ war. In der lokalen Presse gelangte der auf den Namen „Hänsel“ getaufte Gänsegeier zu einer gewissen Berühmtheit.
Eine mögliche Erklärung für den außergewöhnlichen Vogelzug bildet das ungewöhnlich lange und milde Weihnachtstauwetter, was als Folge des Klimawandels angesehen werden kann. Aufgrund der frühlingshaften Temperaturen könnten sich einige Gänsegeier instinktiv aus Richtung Südeuropa auf den Weg in Richtung Norden gemacht haben und es somit bis nach Bayern geschafft haben. Der Mitte Januar zurückkehrende Winter erschwerte dem Gänsegeier den Rückflug, wodurch er mehrere Wochen ausharren musste.

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     Gänsegeier „Hänsel“ im Januar 2023; Foto: Leitner

 

 

Gänsegeier in den Hohen Tauern

Anfang Mai wurden aus Kärnten (Mörtschach) und Osttirol (Lienzer Dolomiten) die ersten Gänsegeier der Saison gemeldet. In den darauffolgenden Wochen blieben weitere Gänsegeier-Meldungen aus, was auf die ungünstige Witterung zurückzuführen ist. Erst Ende Mai konnten die ersten Gänsegeier im Nationalpark Hohe Tauern beobachtet werden. Bis zu 16 Individuen wurden im Bereich zwischen dem Stubachtal und dem Hollersbachtal beobachtet.
Aufgrund der ungünstigen Witterungsbedingungen im Mai verzögerte sich der Beginn der Almsaison in den Tauerntälern und somit auch der damit verbundene Viehauftrieb, was wiederum den späten Einflug der Gänsegeier in den Hohen Tauern erklären könnte. Im Juni und Juli stieg die Anzahl der Meldungen stark an, wobei die häufigsten Meldungen auf den Bereich zwischen den Rauriser Tälern im Osten sowie dem Hollersbachtal im Westen entfielen. Anfang Juli konnten im Rahmen einer ornithologischen Exlursion insgesamt 26 Gänsegeier im Talschluss des Krumltals nachgewiesen werden.
Der 2019 besenderte Gänsegeier „GypFul_FB5“ verkehrte während des Frühjahres v.a. im Bereich zwischen dem Friaul (Italien) und den Karnischen Alpen (Plöckenpass). Seine bisher nördlichste Position sendete GypFul_FB5 aus dem Bereich Kötschach-Mauthen (Oberes Gailtal). Neben den zwei präferierten Gebieten flog GypFul_FB5 im Mai jedoch auch ins östlich angrenzende Slovenien, wo er die westlichen Gebiete des Triglav Nationalparks streifte.

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     Telemetrie-Daten des Gänsegeiers „GypFul_FB5“; Quelle: Wildlife Monitor

 

 

Mönchsgeier

Mönchsgeier im Lesachtal

In der zweiten Maihälfte erreichte die Osttiroler Nationalparkverwaltung eine Meldung von neun Gänsegeiern sowie einen Mönchsgeier aus dem kärntnerischen Lesachtal. Dem Melder gelang es sogar, den Mönchsgeier abzulichten, welches jedoch nur zur Bestimmung herangezogen werden konnte. Um welchem Mönchsgeier es sich handelt ist derzeit nicht bekannt, da keine GPS-Daten vorliegen und aufgrund der großen Distanz zwischen Beobachter und Vogel keinerlei Beringung oder andere Markierungen erkennbar waren.

 

Mönchsgeier in den Hohen Tauern

Neben den Gänsegeiern befliegen während des Sommers vereinzelt auch Mönchsgeier das größte Schutzgebiet der Alpen. Die wenigen europäischen Brutvorkommen dieser Art befinden sich auf der Iberischen Halbinsel, Frankreich und Griechenland.
Mönchsgeier gehören zu den seltensten Gästen des Nationalparks und werden seit einigen Jahren zwischen Juni und August in den Tälern der Hohen Tauern gesichtet. So beflog im vergangenen Sommer das 2016 in Frankreich ausgewilderte Mönchsgeier-Weibchen Ultime für mehrere Wochen das Nationalparkgebiet.
In den Hohen Tauern werden Mönchsgeier oft in Gesellschaft von Gänsegeiern beobachtet. Sowohl das ähnliche Nahrungsspektrum als auch die höheren Erfolgschancen bei der gemeinsamen Nahrungssuche können als Gründe für diese „Flug- und Fressgemeinschaft“ zwischen den beiden Geier-Arten angesehen werden. Während die zahlenmäßig stärker vertretenen Gänsegeier das Aas ausfindig machen, ist der körperlich stärkere Mönchsgeier für die Öffnung des Kadavers zuständig.
Bereits Anfang Juni wurden aus mehreren Bereichen des Nationalparks Mönchsgeier gemeldet.
So konnte Mitte Juni im Krumltal ein Mönchsgeier zusammen mit vier Gänsegeiern beobachtet werden. Ein Almbesitzer meldete im Osttiroler Defereggental einen Mönchsgeier und einen Bartgeier an einem Schafskadaver.
Zusammen mit einigen Mitgliedern von Birdlife Österreich konnten am 16. Juli 2023 im Rahmen einer Exkursion zwei verschiedene Mönchsgeier im Krumltal nachgewiesen werden. 
Nach aktuellem Kenntnisstand dürften sich im größten Schutzgebiet der Alpen 2 bis 3 Mönchsgeier aufhalten.

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     Mönchsgeier und Gänsegeier im Krumltal; Foto: Lehnert

 

Artenschutztag im Alpenzoo Innsbruck

Am 06. Mai 2023 nahmen Vertreter:innen des Nationalparks Hohe Tauern sowie der Tiroler Naturparke am Artenschutztag im Alpenzoo Innsbruck teil. Am Fuße der Bartgeier-Voliere vermittelten die Mitarbeiter:innen des Nationalparks spannende Fakten über das Bartgeier-Projekt sowie die Tierwelt der Hohen Tauern. Auch wurde den zahlreichen Besucher:innen an diversen Beispielen die Wichtigkeit der Kooperation zwischen Schutzgebieten und Zoos für den Artenschutz erläutert.

ArtenschutztagInnsbruck

     Nationalpark-Infostand im Alpenzoo Innsbruck; Foto: Lehnert

 

 

Neue Sonderausstellung im Matreier Nationalparkhaus

In diesem Sommer bietet eine Sonderausstellung im Matreier Nationalparkhaus (Kirchplatz 2; 9971 Matrei in Osttirol) interessante Einblicke in die Welt der heimischen Greifvögel. Zahlreiche Schaustücke und Schautafeln erläutern die teils höchst unterschiedlichen Lebensweisen von Steinadler, Bart-, Gänse- und Mönchsgeier. Neben Informationen über die Biologie der Greifvögel bietet die Ausstellung ihren Gästen auch Tipps für die Bestimmung ausgewählter Greifvogel-Arten in freier Wildbahn. So wird u.a. anschaulich erklärt, an welchen Merkmalen Mäuse- und Wespenbussard, Habicht und Sperber sowie Turm- und Baumfalke zu unterscheiden sind.

Neben den tagaktiven Greifvögeln widmet sich die Ausstellung auch den „Jägern der Nacht“ wie z.B. Uhu, Wald-, Raufuß- oder Sperlingskauz.

Öffnungszeiten 2023

Juli und August:         Montag - Samstag: 10:00 bis 18:00 Uhr

                                   Sonntag: 14:00 - 18:00 Uhr

September:               Montag - Freitag: 10:00 - 12:00 Uhr und 14:00 - 18:00 Uhr

Oktober:                   Montag - Freitag: 10:00 - 12:00 Uhr und 14:00 - 17:00 Uhr

Eintritt frei

 Ausstellung Matrei

     Greifvogel-Ausstellung im Nationalparkhaus Matrei; Foto: Gressmann

 

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Dann würden wir uns sehr darüber freuen, Ihre Bartgeier-Meldung entgegennehmen zu dürfen! Auch Fotos oder Videos sind für uns eine sehr große Hilfe, da sie uns dabei helfen, das Alter oder sogar die Identität das Vogels bestimmen zu können.

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Bart- und Gänsegeier online

Einige Geier sind besendert und die Flugrouten können auf unserer Homepage nachverfolgt werden. Schauen Sie doch einfach vorbei: https://hohetauern.at/de/forschung/greifvogelmonitoring.html


Geschrieben von
Matthias Lehnert

27.07.2023