Nationalpark Hohe Tauern

„Steinsucher-Zwillinge" plaudern aus dem Nähkästchen:
Hannes und Gerhard Hofer im Interview mit Ranger Rudi


Ranger Rudi: „Hallo Hannes und Gerhard, schön euch zu treffen! Könnt ihr mir etwas aus eurem Leben als Mineraliensammler erzählen?“

Hannes und Gerhard: „Hallo Ranger Rudi! Ja, sehr gerne – das Mineraliensuchen im Hochgebirge ist unser schönstes Hobby, das wir auch gemeinsam betreiben. Wir beide sind auch beim Citizen Science Projekt „Mineraliensuchen in den Hohen Tauern" dabei. Für dieses Projekt dokumentieren wir unsere Funde für die Salzburger Nationalparkverwaltung zum Zweck der Forschung."

Ranger Rudi: „Ah, verstehe, das ist sicher eine gute Sache.“

Gerhard: „Ja, bei diesem besonderen Forschungsprojekt machen jedes Jahr mehr als 300 Steinsucher:innen mit. Damit sie das im Salzburger Anteil des Nationalparks Hohe Tauern machen dürfen, erhalten Sie von der Verwaltung dafür sogenannte Berechtigungskarten. Mit der Teilnahme am Projekt verpflichten sich die Steinsucher.innen, alle Funde akribisch zu dokumentieren, d.h. die Fundorte werden mit ihren Koordinaten genau beschrieben und auch einige Fotos zum Fund müssen gemacht werden. Wichtig ist auch, dass die Fundstelle – nach Entnahme der Steine – so verlassen werden muss, wie sie vorgefunden worden ist.“

Ranger Rudi: „Ach so ist das, sehr interessant. – Wie seid ihr dazu gekommen, auf die Suche nach Mineralien zu gehen?“

Hannes: „Als 12 jährige Buben hat uns ein Nachbar das erste Mal zum Steinesuchen in die Berge mitgenommen und da wir dann gleich alleine einige sehr schöne Kristallklüfte gefunden haben, wurde es für uns schnell zu einer Art Sucht. Die Faszination fürs Mineraliensuchen lässt uns bis heute nicht mehr los.“

Ranger Rudi: „Wow, das klingt so, als ob ihr Naturtalente im Aufspüren von besonderen Steinen seid.“ – Welche Werkzeuge braucht ihr eigentlich, wenn ihr auf Mineraliensuche geht?“

Gerhard: „Zum Steinesuchen braucht man nicht viel, einen Handfäustel, einen Meißel und ein kleiner Eispickel mit dem das Geröll weggekratzt werden kann. Ganz wichtig ist aber auch eine gute Bergausrüstung, damit man überhaupt dorthin gelangen kann, wo man die besonderen Mineralien finden kann. Das heißt konkret: gute Bergschuhe, passende Outdoor-Kleidung und wenn wir in steilem Gelände unterwegs sind, auch ein Seil und einen Klettergurt, um uns sicher bewegen zu können.“

Ranger Rudi: „Aha, also Kletterkünste sind auch wichtig für diese Arbeit – verstehe. – Könnt ihr mir noch verraten, wie schwer denn so ein Rucksack beim Steinsuchen werden kann?“

Hannes: „Mit Werkzeug, hochalpiner Ausrüstung und Jause und Getränk gehen wir oft mit 15 bis 20 kg los. Nach einer erfolgreichen Tour, wenn viele Steine im Rucksack sind, können es beim Heimgehen auch mal 50 kg sein.“

Ranger Rudi: „Toll, dann habt ihr Steine mit einem Gesamtgewicht von bis zu 30 kg gefunden. – Was war denn euer schönster und wertvollster Fund?“

Gerhard: „Zu den schönsten Erlebnissen gehören riesige Kristallfunde am Venediger Nordgrat. Der größte Bergkristall, den wir dort gefunden haben, war unglaubliche 170 kg schwer. Zu unseren wertvollsten Funden gehören Epidote von der Knappenwand im Untersulzbachtal. Die Fundstelle ist ganz nah beim Schaubergwerk Hochfeld, das man im Sommer auch mit einem Nationalpark Ranger besichtigen kann.“

Ranger Rudi: „Toll, das sind echt großartige Schätze, die ihr in den Hohen Tauern gefunden habt! – Apropos, wertvolle Funde: Habt ihr bei euren Exkursionen auch schon einmal Gold gefunden?“

Hannes: „Leider nein. Gold haben wir bis jetzt noch nie gefunden. Aber das Rauriser Tal war früher berühmt für sein Goldvorkommen. Vielleicht versuchen wir bald einmal, in einem der Rauriser Bäche Gold zu waschen und wer weiß, eventuell haben wir auch in diesem Nationalparktal Glück!“

Ranger Rudi: „Oh-ja, davon habe ich auch schon gehört. Ihr beiden hättet bestimmt auch dort Glück und könntet wohl ein kleines Goldstück mit nach Hause nehmen. – Was macht ihr eigentlich, wenn ihr einen tollen Stein im Fels oder in einer Kluft entdeckt?“

Gerhard: „Wichtig ist, dass man nicht nur beim Suchen geduldig bleibt, sondern auch beim Bergen der Mineralien langsam und vorsichtig vorgeht, damit die Kristalle nicht beschädigt werden. Also Geduld und überlegtes Vorgehen ist das A und O‘ beim Herauslösen der Mineralien aus dem umliegenden Gestein.“

Ranger Rudi: „Ja, das wäre sehr ärgerlich, wenn etwa eine Kristallspitze abbrechen würde. – Wie fühlt es sich eigentlich an, ein uraltes Mineral zu entdecken, dessen Entstehung Millionen von Jahren gedauert hat?“

Hannes: „Es erfüllt uns mit großer Dankbarkeit, wenn wir als erster einen Kristall in Händen halten dürfen, der schon 15 Millionen Jahre alt ist. Der Kristall hat schon so lange im Verborgenen gelagert und gelangt dadurch, dass wir ihn gefunden und geborgen haben, das erste Mal an das Sonnenlicht. Und diesen besonderen Moment erleben wir mit dem Kristall gemeinsam! Das ist jetzt etwas überspitzt ausgedrückt, aber es ist schwer dieses Gefühl in Worte zu fassen.“

Ranger Rudi: „Das Adjektiv ehrfürchtig‘ fällt mir zu eurer Beschreibung ein – ihr staunt und erfreut euch über die Schönheit der Natur und was unsere Erde so an Schätzen für uns bereithält. – Habt ihr euch beim Mineraliensammeln schon einmal verlaufen oder seid ihr dabei schon einmal in eine gefährliche Situation geraten?“

Gerhard: „Nach ganz langen Tagen und Touren haben wir uns beim Rückweg schon einmal vertan. So mussten wir einmal erschöpft wieder zwei Stunden aufsteigen, um auf den richtigen Rückweg zu gelangen. Das war sehr anstrengend, aber richtig gefährlich können im Hochgebirge Lawinen und Steinschläge werden. Und auch Gewitter sind nicht zu unterschätzen, die kommen im Hochgebirge auch mitten im Sommer mit Schnee und Hagel und natürlich auch mit gefährlichen Blitzen. Geraten wir in ein solches Unwetter, ist es sehr wichtig sich Schutz zu suchen, idealerweise in einer Schutzhütte.“

Ranger Rudi: „Danke für die Überlebenstipps bei Gewitter! Am besten ist es natürlich, vor einer Wanderung in die Berge die Wettervorhersage zu studieren und bei Schlechtwetter die Tour zu verschieben. Sicher ist sicher! – So jetzt aber von ernsten Themen zu den Lustigen: Was waren eure lustigsten Erlebnisse bei der Mineraliensuche?“

Hannes: „Vor einigen Jahren haben wir uns bei einer Tour im Untersulzbachtal zum Jausnen unter einen Felsblock gesetzt. Plötzlich sprang von oben eine Gämse direkt über uns drüber. Nach den ersten Schrecksekunden kamen immer mehr und schließlich sprangen von allen Seiten etwa 50 Tiere über unsere Köpfe hinweg, die uns alle gar nicht bemerkten.

Gerhard: Einmal trafen wir im Zillertal beim Auffüllen unserer Wasserflaschen auf eine Schafherde. Hannes lockte die süßen Tiere und wollte eines davon streicheln. Doch das Tier schlüpfte stattdessen in die Träger des am Boden liegenden Rucksacks von Hannes und wollte damit wegspringen. Hannes konnte das Tier an den Hinterbeinen erwischen und rief verzweifelt um Hilfe. Zum Glück konnte ich dem Schaf den Rucksack wieder abnehmen.“

Ranger Rudi: „Lustig, eure Tiergeschichten! – Findet ihr bei eurer Mineraliensuche auch andere interessante Dinge?“

Hannes: „Ja, wir haben schon so einiges gefunden: Altes Werkzeug, das schon mehr als 100 Jahre in Felsnischen gelegen ist, Teile von Wetterballons und ganz alte Alpenvereinsdecken (von Bergsteigern) in steilen Wänden. Und für uns weniger erfreulich, aber völlig natürlich: auch viele tote Tiere, wie z.B. Gämse, Hirsche und Murmeltiere. Manchmal finden wir in Klüften auch alte Mäusenester direkt auf den Kristallen – das muss doch eine schöne Wohnung für eine Maus sein.“

Ranger Rudi: „Das ist ja Allerhand! Und Mäuse scheinen durchaus Geschmack bei der Wahl ihrer Wohnungen zu haben. Vielen Dank Hannes und Gerhard, für die Einblicke in euer Leben als leidenschaftliche Steinsucher!“

 

 

 

 



Geschrieben von
Sarah Moser

06.11.2024