In Arktis, in Nordskandinavien, in den Pyrenäen und Karpaten – und eben die Alpen kommt der Gletscherhahnenfuß vor. In gebirgigen Gegenden weit oben bis in 4.200 Meter Meereshöhe. Also überall dort wo es wirklich kalt ist, treibt diese hübsche Pflanze ihre strahlend weißen Blüten mit den gelben Staubgefäßen aus. Die Pflanze zeigt interessanterweise keine äußerlichen Anpassungen an die Kälte wie dies bei anderen Pflanzen der Fall ist, zum Beispiel beim Edelweiß oder dem Gletschermannsschild. Keine dichte Behaarung der Blätter, auch kein Polsterwuchs. Als zarte Pflanzengestalt hockt der Gletscherhahnenfuß auf dem Schutt unserer Berge. Man möchte ihm eine derartige Widerstandkraft gar nicht zutrauen.
Wie kann er also in diesen eisigen Höhen überleben, wo selbst im Sommer in zahlreichen Nächten Frost herrscht. Warum erfriert der Gletscherhahnenfuß nicht?
Der Botaniker Gilbert Neuner von der Universität Innsbruck leitet die Forschungsgruppe „Stressphysiologie“ am Botanischen Institut. Er hat über Jahre hinweg sich dieser zarten Pflanze angenommen, ein neues Mikroskopierverfahren entwickelt und erstaunliche Erkenntnisse gewonnen. Er konnte die Vereisung der Pflanze in Echtzeit mit dem Mikroskop beobachten.
Durch die Kälte gefriert das Wasser und das Eis verbreitet sich mit hoher Geschwindigkeit im Pflanzenkörper, sogar in der Blüte, was man sonst von keiner Pflanze kennt - eben nur vom Gletscherhahnenfuß. Die Pflanzenzellen gefrieren jedoch nicht, sondern nur das Wasser zwischen den Zellen und das Eis entzieht den Zellen sogar noch Wasser, sodass diese schrumpfen. Eine Anomalie des Wassers ist es, dass Wasser in gefrorenem Zustand mehr Volumen hat als im flüssigen Zustand. Die Zellwände müssen daher sehr dehnbar und zäh sein, sonst würden sie reißen und das bedeute dann den Tod der Pflanze. Und der Gletscherhahnenfuß hat solche Zellwände – dadurch kann er komplett einfrieren, ohne Schaden zu nehmen. Wenn dann am nächsten Tag die Sonne wieder scheint und sich der Pflanzenkörper erwärmt, taut das Eis wieder auf und das Wasser geht zurück in die Zelle. Dann macht der Gletscherhahnenfuß ganz normal weiter – als ob nichts gewesen wäre.
Gletscherhahnenfuß: Eigentlich sind keine äußerlichen Anpassungen an die oft extreme Kälte ersichtlich. c NPHT Ferdinand Rieder
Gletschermannschild: Polsterwuchs als Strategie – im Pflanzenkörper herrscht ein wesentlich besseres Klima als außerhalb. c NPHT Martin Kurzthaler
Edelweiß: Die dichte Behaarung erinnert fast an einen Pelz – hilft aber auch gegen Wind und gegen die hohe UV-Strahlung. c Andreas Steinacher