Ein Schlaraffenland für unsere alpinen Wildtiere?!
„Die großen Wesenszüge des Alpenwinters sind Kälte, lange Dauer und Schneereichtum“.
Jahrbuch des Vereins zum Schutze der Alpenpflanzen und –tiere,1963
Nachdenklich betrachte ich die weißen Schneebänder in der sonst schneefreien Landschaft, die kein rechtes Wintergefühl aufkommen lassen. Trotzdem gehe ich mangels Alternativen auf genau diesen Schneebändern "Skitouren".
Verantwortungsvoll oder verantwortungslos?
Verantwortungsvoll, da die Wildtiere mehr Ruhe haben, es mir die klimafreundliche An- und Abreise mit den Öffis erlaubt,...? Verantwortungslos, da ich die Infrastruktur des umweltschödlichen Skizirkus nutze, den Skifahrern ein Hindernis bin,...?
Was auf den ersten Blick positiv scheint, ist nicht so. Zumindest nicht für alle Wildtiere.
Die Tiere der Alpen stehen bereits jetzt aufgrund zahlreicher menschlicher Eingriffe wie Land- und Forstwirtschaft, Energiegewinnung und Naturnutzung unter massivem Druck. Für sie stellt der Klimawandel eine zusätzliche Belastung dar, zumal die Erwärmung im Hochgebirge deutlich schneller voranschreitet als im globalen Durchschnitt. Denn alpine Tiere wie Alpenschneehuhn, Schneehase, Murmeltier und Steinbock haben sich im Laufe ihrer langen evolutionären Entwicklung an die extremen Lebensbedingungen im Hochgebirge angepasst.
Das Alpenschneehuhn schützt sich mit einer Schneehöhle vor Wetter und Feinden, nur zur Nahrungssuche kommt es heraus. Fehlt der Schnee, ist das weiße Gefieder in der grünen Landschaft weithin zu sehen und Füchse oder Raubvögel haben leichtes Spiel.
Nicht nur den Schneehühnern fehlt die isolierende Schneeschicht zum Graben für Schneehöhlen (cNPHT Greßmann Gunther).
Für Tiere gibt es angesichts des sich wandelnden Klimas zwei Möglichkeiten. Entweder erlernen sie aufgrund von Erfahrungen neues Verhalten und weichen den wärmeren Bedingungen beispielsweise durch Wanderungen nach Norden und in größere Höhenlagen aus.
Oder die genetischen Informationen ganzer Populationen ändern sich so, dass sich besser angepasste Gene von Generation zu Generation stärker durchsetzen. Vor Allem letzteres ist ein langsamer Prozess, der insbesondere bei kleinen Populationen mit wenig Nachkommen nicht schnell genug abläuft.
Und wo ist jetzt das Problem?
Gräser und Flechten sind in schneearmen Wintern schließlich nicht unter einer dicken Schneedecke und leichtes Fressen. Doch der Nährstoffgehalt von Pflanzen ist im Winter reduziert. Mehr des energiearmen Futters aufzunehmen (Masse statt Klasse) ist aber auch keine Option, da z.B. das Pansenvolumen einer Gams ist im Winter reduziert ist. Beides führt dazu, dass die Gams in der kalten Jahreszeit nicht ausreichend Energie aufnehmen kann und auch in schneearmen Wintern darauf angewiesen ist, Energie zu sparen.
Spielen wir unser Beispiel weiter durch.
Durch den Klimawandel beginnt die Vegetationszeit früher. Viele Pflanzen verholzen bereits im Hochsommer, weisen dadurch einen schlechteren Nährstoffgehalt auf und bieten somit eine schlechtere Äsung für das Gamswild. Dies hat direkte Auswirkung auf ihre Kondition vor dem bevorstehenden Winter. Besonders Gamskitze haben für den folgenden Winter nicht ausreichend Reserven. Oft bringt die Summe verschiedenster Störungen und Störfaktoren schließlich das Faß zum Überlaufen. Durch den Klimawandel ist jedoch der Wasserstand im Faß von Anfang an höher.
Die globale Erwärmung und ihre Auswirkungen aufzuhalten ist nur langfristig möglich - und komplex. Ich als Einzelperson kann und muss nicht die ganze Welt retten.
Kehren wir doch erstmal vor unserer eigenen Haustür und bleiben wir ganz bei uns. Um unseren Wildtieren die nötige Ruhe im Winter zu geben und nicht weiter zu schwächen, könnten wir als Wintersportler:innen beispielsweise
„Viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht dieser Welt verändern.“
Afrikanisches Sprichwort
Diese Frage sollte sich jede:r stellen. Muss aber jede:r für sich beantworten.
Als Skitourengeher:innen genießen wir gerne die Natur, die Ruhe und das Gefühl von Freiheit abseits der reglementierten Pisten. Mehr Freiheit bedeutet gleichzeitig auch mehr Eigenverantwortung für das eigene Tun und Handeln im Naturraum. Ein Naturraum, in dem Erleben für Naturnutzer:innen und Leben für die zahlreichen Tierarten gleichermaßen möglich sein soll. Fast nie treffen wir jedoch Entscheidungen ohne Auswirkungen auf andere Naturnutzer:innen oder die Natur.
Sich dieser Verantwortung bewusst zu sein und Rücksicht, Respekt und Verständnis als "Pflichtausrüstung" mitzuführen, ist entscheidend für ein verantwortungsvolles Miteinander in der winterlichen Naturlandschaft.
Zu Teil 1: Gedanken zum komplexen Themenfeld Mensch und Natur – Nationalpark Hohe Tauern
(cNPHT Klee Moritz)