Libellen gehören zu den faszinierendsten Insekten. Ihre Flugkünste übertreffen vieles, was die Evolution der reichhaltigen Insektenfauna entwickelt hat. So können Groß-Libellen rüttelnd wie ein Raubvogel in der Luft stehen, wie ein Segelflugzeug über weite Strecken gleiten, manche können bis auf 50 km/h beschleunigen und dabei abrupt ihre Flugrichtung ändern. Möglich ist diese Flugakrobatik durch eine kräftige, direkt an den Flügeln ansetzende Muskulatur und die Fähigkeit, beide Flügelpaare unabhängig voneinander zu bewegen.
Das typische Summen, Brummen oder Schwirren anderer Fluginsekten kennt man von ihnen nicht. Wie an unsichtbaren Fäden gezogen scheinen Libellen eher lautlos durch die Luft zu schweben. Den einstmals größten Insekten der Erde (bis zu 70 cm Flügelspannweite) stehen dafür vier riesige Flügel zur Verfügung. Die kurzen Fühler und drei zusätzliche kleine Punktaugen fungieren hingegen als Tacho und für das Gleichgewicht: schließlich muss ein Flugkünstler immer wissen, wie schnell er fliegt. Bei der Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris) am Bild sind die Flügel und kurzen Fühler gut zu sehen. c Helmut Wittmann
Mit ihren raffinierten Flugmanövern jagen sie Mücken, Fliegen und diverse andere Insekten. Oftmals wird die Beute bereits in der Luft verzehrt. Wichtig für den Jagderfolg ist eine punktgenaue Orientierung im Luftraum. Diese wird durch zwei Komplex- oder Facettenaugen sichergestellt, die den Großteil des Kopfes bedecken und aus bis zu 30.000 Einzelaugen zusammengesetzt sind. Das Auflösungsvermögen der Libellenaugen ist hervorragend und dazu geschaffen, selbst schnell bewegte Beutetiere zu erkennen, zu verfolgen und zu fangen.
Libellenaugen können fast 200 Bilder pro Sekunde verarbeiten, was eine außergewöhnlich hohe zeitliche Auflösung bedeutet. Im Vergleich dazu findet die Wahrnehmungsfähigkeit eines Menschen bereits bei etwa 24 Bildern pro Sekunde ein Ende. c NPHT Andreas Angermann
Im Nationalpark Hohe Tauern und seinem Umfeld wurden bisher 46 verschiedene Libellenarten nachgewiesen, im Nationalpark selbst kommen nach bisherigem Wissensstand 20 Arten vor. Einige von ihnen wie die Alpen-Smaragdlibelle oder die Alpen-Mosaikjungfer sind typische Gebirgsarten, die in Österreich ihre Hauptverbreitung im Nationalpark Hohe Tauern haben.
Grundsätzlich ist der Nationalpark Hohe Tauern mit seinen zahlreichen größeren und kleineren Stillgewässern ein außerordentlich guter Lebensraum für die Libellenfauna. Gewisse Probleme bestehen allerdings durch die Beweidung, da die relativ schweren Weidetiere bei ihrer Suche nach Trinkwasser die für die Libellen wichtigen Flachwasser- und Röhrichtzonen zertrampeln, wodurch der Fortpflanzungserfolg oft zunichte gemacht wird.
Nicht nur der Nationalpark Hohe Tauern selbst, sondern auch sein Vorfeld stellen wichtige Rückzugsräume für gefährdete und seltene Arten dar. Insbesondere die im Salzachtal noch vorhanden Feuchtlebensräume bieten zahlreichen, zum Teil hochgefährdeten Libellen einen entsprechenden Lebensraum. Als ein Beispiel kann die Sumpf- Heidelibelle (Sympetrum depressiusculum) angeführt werden, deren dortige Vorkommen einen „Hotspot“ aus gesamtösterreichischer Sicht darstellen. Die Art, die sonst in Österreich extrem selten ist, ist hier noch mit relativ individuenreichen Populationen in einem vergleichsweise großen Gebiet vertreten.
Ein idealer Lebensraum für Libellen am Pirtendorfer Talboden (Stuhlfelden). c Eberhard Stüber
Die Torf-Mosaikjungfer (Aeshna juncea) ist eine faszinierende Libellenart aus der Familie der Edellibellen, die vor allem durch ihre auffällige Färbung und Lebensweise beeindruckt. Die Körperlänge der Torf-Mosaikjungfer beträgt zwischen 70 und 80 mm, die Flügelspannweite 90 bis 105 mm, wodurch die Art zu den größten Libellen Mitteleuropas gehört.
Die Torf-Mosaikjungfer. c Helmut Wittmann
Sie ist in Moorgebieten und an sauren, nährstoffarmen Gewässern zu finden und bevorzugt kleine, vegetationsreiche Tümpel und Torfmoore als Lebensraum. Das Männchen zeichnet sich durch ein leuchtendes Blau und schwarze Muster auf den Flügeln aus, während das Weibchen eher braun gefärbt ist. Die Torf-Mosaikjungfer ist eine der wenigen Libellenarten, die in extrem sauren und nährstoffarmen Lebensräumen vorkommt, was sie zu einem wichtigen Indikator für die Biodiversität solcher Ökosysteme macht. Ihre Larven sind auf sauerstoffarme, saure Gewässer spezialisiert und entwickeln sich dort über mehrere Jahre. In Österreich gilt die Torf-Mosaikjungfer nicht als gefährdet.
Larve der Torf-Mosaikjungfer. cNPHT Helene Mattersberger
Die Alpen-Smaragdlibelle (Somatochlora alpestris) erreicht eine Körperlänge von bis zu fünf Zentimetern. Besonders auffällig ist ihre Brust: Sie glänzt metallisch-grün. Ihr mattschwarzer Hinterleib schillert dagegen nur etwas an der Basis. Ein weiteres Erkennungsmerkmal sind die leuchtend blau-grünen Augen und ihre fast düstere, dunkelgrüne Färbung.
Alpen-Smaragdlibelle c NPHT Ferdinand Rieder
Die Alpen-Smaragdlibelle lebt in Hochmooren und in Bergseen mit seichten Verlandungszonen auf über 1.000 Meter Seehöhe. Die Larve lebt 3 Jahre am Gewässergrund, dort hält sie sich meistens im pflanzlichen Substrat auf. Trocknet das Gewässer drei Monate aus, schadet das den Larven nicht.
Die Alpen-Smaragdlibelle zählt zu den seltenen einheimischen Libellenarten. Eine Hauptgefährdungsursache liegt in der Almwirtschaft, v.a. der nicht angepassten Beweidung empfindlicher Moorflächen. Diese müssen unbedingt vor Beweidung geschützt werden. Außerdem gefährden Nährstoffeinträge und der Klimawandel den Lebensraum dieser Art. In Österreich gilt die Libellenart als gefährdet.
Die Speer-Azurjungfer ist leicht mit anderen Azurjungfern zu verwechseln, am wahrscheinlichsten ist sie an sauren Gewässern in Waldnähe zu finden. Die Körperlänge der Speer-Azurjunfger beträgt lediglich um die 18 mm, die Flügelspannweite um die 22 mm.
Die Männchen der Speer-Azurjungfer (Coenagrion hastulatum) haben eine blaue Grundfärbung an Kopf und Brust, oft mit einem leichten Grünstich. Die schwarze Zeichnung ihres Hinterleibs ist sehr unterschiedlich. Die Weibchen haben eine intensiv leuchtende Grünfärbung. Das Männchen hat eine namensgebende Zeichnung einer stumpfen Speerspitze auf dem Hinterleib nahe den Flügeln.
Speer-Azurjungfer c Helmut Wittmann
Die Speer-Azurjungfer besiedelt vorzugsweise Moorgewässer (Hochmoore) und saure Gewässer, seltener Teiche oder Weiher. In moorarmen Gebieten ist die Speer-Azurjungfer kaum vorhanden. Auf der Roten Liste gilt die Speer-Azurjungfer in Österreich als stark gefährdet.
Die Entwicklungszeit der Larven kann von 1 bis zu 4 Jahren betragen. Die Eiablage findet stets in Begleitung des Männchens, in der sogenannten Tandemstellung statt, wobei sowohl das Weibchen als auch das Männchen unter die Wasseroberfläche tauchen.
Quelle: Vielfältiges Leben – Biodiversität in den Hohen Tauern (S. 72-73), Herausgeber: Nationalpark Hohe Tauern in Kooperation mit Haus der Natur*
*ergänzt mit zusätzlichen Bildinformationen und ergänzenden Arteninformationen.
Die Biodiversitäts-Broschüre präsentiert auf anschauliche Art und Weise die Vielfalt des Schutzgebietes und gibt einen gut verständlichen Überblick zu den typischen Lebensräumen und Arten im und rund um den Nationalpark. Mit der Biodiversitäts-Broschüre wird die Vielfalt des Lebens im Nationalpark Hohe Tauern sichtbar. Download HIER. Die Printausgabe kann über unserem ONLINE-Shop bezogen werden.