Nationalpark Hohe Tauern

Fichtenwald ist nicht gleich Fichtenwald


Österreich ist ein Waldland. Rund die Hälfte der Landesfläche besteht aus Wald. Das sind über vier Millionen Hektar wie die 2021 präsentierte Waldinventur ergab. Der österreichische Wald ist zwar groß, doch besteht er zu rund 80 % aus Wirtschaftswald.

Obwohl bereits wieder mit Laubholz bestockt und der Nadelholzanteil dezimiert wird - nicht zuletzt in Reaktion auf die Borkenkäfer-Kalamität -, werden immer noch knapp 90% der sogenannten „nachwachsenden Hölzer“ genutzt. Die Waldnutzung ist bei gleichzeitiger Wiederbestockung gestiegen. Nach wie vor bestehen Österreichs Wälder zu 61% aus Fichten. Ihr natürlicher Anteil liegt bei geschätzten 35%.

Naturnahe Wälder wurden auf eine Restfläche von 20% zurückgedrängt. Um Urwälder, jene Wälder, die noch nie genutzt und bewirtschaftet worden sind, ist es noch schlechter bestellt. In Österreich gelten noch nicht einmal mehr 3% der Wälder in Österreich als ursprünglich. 

Im Wirtschafts- und Schutzwald sind Ereignisse wie Windwürfe, Starkniederschläge und Trockenperioden wahrliche Katastrophen für die Menschen. In einem naturnahen Wald oder Urwald sind diese natürliche Störungen Teil der Evolution. Sie sind der Quell für Erneuerung und ermöglichen das, was gemeinhin „Resilienz“ genannt wird. Damit beschreibt man die Regeneration der Wälder in einem andauernden Kreislauf aus Werden und Vergehen. Ob Sturm und Windwurf, Lawine oder Mure, Hochwasser oder Dürre, Borkenkäfer oder Insektenbefall: Erst die Veränderung leitet Dynamik ein. Der Wald entfesselt seine Kraft im Umgang mit einschneidenden Veränderungen. (Quellen Websites: Bundesforschungszentrum Wald; Umweltbundesamt; Nationalparks Austria)

Der Nationalpark Hohe Tauern ist zu rund 10 % seiner Fläche mit Wald bedeckt. Laubmischwälder und Bergfichtenwälder prägen die Montan-/Bergwaldstufe (700 bis 1.700 Höhenmeter), Lärchen-Zirbenwälder von 1.700 bis 2.300 Höhenmeter schließen in der Subalpinstufe an. Diese Wälder sind naturnah bzw. wenige Biotope gelten als Urwald.

Wo die Fichte natürlich vorkommt - Fichtenwälder im Gebirge

In den Hohen Tauern ist die Fichte heimisch und von Natur aus in der Bergwaldstufe verbreitet. Fichtenwälder schließen über den Laubwäldern an und erstrecken sich bis zum Lärchen-Zirbenwald, der den höchst steigenden Waldgürtel bildet. Die naturnahen Fichtenwälder sind im Regelfall strukturreich und beherbergen eine Vielzahl an ökologischen Nischen wie Blockwerk, Hochstaudenfluren, kleinere Bachläufe, Quellfluren, Felsschröffel und Totholzansammlungen. Typische Arten sind der Sauerklee, zahlreiche Farne und Bärlappe, aber auch die seltene Orchideenart Kleines Zweiblatt.

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Naturnahe Fichtenwälder sind im Regelfall strukturreich und beherbergen ökologische Nischen. C NPHT Ferdinand Rieder.

Während die vom Menschen angelegten Fichtenforste im Alpenvorland bei fortschreitendem Klimawandel kaum bestehen werden können, ist eine grundsätzliche Gefährdung der natürlichen Fichtenwälder in den Hohen Tauern voraussichtlich nicht zu erwarten. Die Fichte wird zwar höher hinaufsteigen und in den Tallagen durch die Buche ersetzt werden, den Fichtenwald der Hohen Tauern wird es aber weiterhin geben.

Fichte als Wirtschaftsfaktor

Die Fichte ist der „Brotbaum“ der österreichischen Forstwirtschaft. Durch ihre Anspruchslosigkeit, ihren relativ raschen Wuchs und die gute Verwertbarkeit des Fichtenholzes kam es zu einer enormen Förderung dieser Baumart. Dominant und bestandsbildend kommt die Fichte daher heute auch in Gebieten vor, in denen sie ursprünglich nicht oder nur als untergeordnete Baumart heimisch war. Viele Fichtenwälder zeichnen sich darüber hinaus durch eine extreme Strukturarmut aus. Die Bestände sind zwar ertragreich, aber aufgrund des einheitlichen Baumalters, der gleichen Pflanzabstände und dem fehlenden Totholz äußerst artenarm.

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Österreich ist zu 47,9 % mit Wald bedeckt. Der Ertragswald wiederum besteht großteils aus der Baumart Fichte, der keine glänzende Zukunft vorausgesagt wird. (Textquelle: https://www.klimafitterwald.at ). c NPHT Peter Gruber

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Fichten sind Flachwurzler und sehr windanfällig. Im Falle von Trockenheit kann die Fichte, die flach wurzelt, Schwierigkeiten haben, an tieferliegendes Wasser zu gelangen.  Vorteile: Sie können auf Böden mit schlechter Durchlüftung gut gedeihen, da ihre flachen Wurzeln hier besser an Wasser und Nährstoffe kommen. Schneller Zugriff auf Regenwasser und Nährstoffe, die in der oberen Bodenschicht vorhanden sind. C NPHT Ferdinand Rieder.

Alte Fichtenwälder sind Hotspots für die „Unscheinbaren“

Fichtenwälder im Gebirge sind auch für Personen ohne spezielle naturwissenschaftliche Kenntnisse mit einem Blick als deutlich vielfältiger als die Fichtenforste des Alpenvorlandes zu erkennen. Ihr eigentlicher Artenreichtum zeigt sich jedoch bei Organismen, die zu den „Unscheinbaren“ gehören: Moose, Flechten, Pilze, aber auch Holz bewohnende Insekten machen dabei die Biodiversität der Fichtenwälder im Alpenraum aus, dies insbesondere dann, wenn sie ein hohes Bestandesalter (kann bis zu 600 Jahre alt werden) aufweisen und Totholz zugelassen wird. Für diese oft nur mit der Lupe erkennbaren Pflanzen und Tiere können die natürlichen Fichtenwälder des Alpenraumes wahre „Hotspots“ der Artenvielfalt darstellen.

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Wald-Sauerklee (Oxalis acetosella): Heimische Staude mit ökologischer Bedeutung für Insekten (u. a. Bienen und Schmetterlinge). Blüht von April bis Mai. C Helmut Wittmann

 

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Der Tannen-Bärlapp ist eine kleine, ausdauernde Pflanze, die in Fichten- und Bergkiefernwäldern, Blockhalden und Alpenmatten vorkommt. Er gehört zur Familie der Bärlappgewächse und ist ein wichtiger Bestandteil bestimmter Ökosysteme. C Helmut Wittmann

 

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Hauptsächlich ernährt sich der Fichtenkreuzschnabel aus Samen von Nadelbäumen (Fichten, Tannen, Föhren und Lärchen) aber auch Knospen und Früchte von Laubbäumen (z.B. Birke) und krautigen Pflanzen. Während des Sommerhalbjahres wird Nahrung durch kleine Insekten (z.B. Blattläuse), Insektenlarven (z.B. Schmetterlingsraupen) und durch Spinnentiere ergänzt. Mit gekreuzten Schnabelspitzen werden die Schuppen abgespreizt, um an den Samen zu gelangen. C NPHT Hannah Assil

Quelle: Vielfältiges Leben – Biodiversität in den Hohen Tauern (S. 28), Herausgeber: Nationalpark Hohe Tauern in Kooperation mit Haus der Natur* 
*ergänzt mit zusätzlichen Bildern und ergänzenden Bildinformationen.

Die Biodiversitäts-Broschüre präsentiert auf anschauliche Art und Weise die Vielfalt des Schutzgebietes und gibt einen gut verständlichen Überblick zu den typischen Lebensräumen und Arten im und rund um den Nationalpark. Mit der Biodiversitäts-Broschüre wird die Vielfalt des Lebens im Nationalpark Hohe Tauern sichtbar. Download HIER. Die Printausgabe kann in unserem ONLINE-Shop bezogen werden.


Geschrieben von
Helene Mattersberger

03.06.2025